Sabine Aichhorn, geb. 1979 in Linz (OÖ.), fertigte mit 13
Jahren Zeichnungen an, befasste sich intensiv mit der altägyptischen Kultur und
begann zu schreiben. Schlüsselerlebnis, ihrem inneren Ruf zu folgen und Künstlerin
zu werden, war schließlich eine Studienreise nach Kuba im Jahr 1999.
Zusätzlich zu ihrem wirtschaftswissenschaftlichen Studium
an der Johannes Kepler-Universität Linz (1999-2004) absolvierte sie ein
Kunststudium bei Margareta Petrascheck-Persson in der Klasse für Textil, Kunst
& Design an der Kunstuniversität Linz, wo sie das notwendige Rüstzeug für
ihre künftige Tätigkeit als Medienkünstlerin erhielt. 2004 führte sie ihr
anschließendes Studium in der Meisterklasse „Malerei, Animationsfilm & Tapisserie“
von Christian Ludwig Attersee an die Universität für Angewandte Kunst nach
Wien, wo sie ihren textil-medialen Fokus um neue digitale Techniken wie
Animationsfilm und um den Bereich der Architekturmalerei erweiterte.
Seit 2004 kontinuierliche Ausstellungstätigkeit sowie
Ankäufe in Österreich, Deutschland, in der Schweiz, in den Niederlanden, in
Frankreich und Slowenien. Sie war Artist in Residence in Amsterdam (2006) und
Los Angeles (2007), einzige österreichische Künstler-Teilnehmerin beim „Celeste
dans la montagne“-Symposium des Institut Francais in Innsbruck (2011), Akteurin
beim Orgien-Mysterien-Theater von Hermann Nitsch (2004, 2005), arbeitete mit
Paulus Manker zusammen in der Ausstattung bei „Alma –A show biz ans Ende“ in
Prag (2011), produziert Designobjekte wie die Filmpalmen für die Viennale,
Diagonale und das Crossing Europe Festival, den Red Ribbon-Filmschmuck für den Life
Ball (2010, 2011) sowie Limited Editions von Filmschmuckobjekten für den MAK
Designshop oder für die Blickfang-Messe.
2005 erhielt sie die Talentförderprämie für bildende Kunst
des Landes OÖ., 2006 das Emanuel und Sophie Fohn-Stipendium sowie das
Atelierstipendium des BMUKK für ein Förderatelier in der Wiener Wattgasse, das
ihr von 2007 bis 2012 zur Verfügung stand und zum Ort der Entstehung ihrer
originären 16mm- bzw. 35mm-Filmarchitekturmodelle werden sollte, die in
Museumspräsentationen mit Ausstellungskatalog mündeten (2009, Sabine Aichhorn –
Los Angeles, Studio Neue Galerie Graz, Landesmuseum Joanneum Graz; 2010 Hollywood-Party,
MAK-NITE, Museum für angewandte Kunst Wien).
Die frühe Arbeit aus ihrer Zeit in Linz, „Ein
Super8-Filmteppich“, ein gewebtes Bild oder bunter Farbteppich aus vertikal
angeordneten Super8-Filmkadern und vorgeleimten horizontal eingewebten Wollfäden,
sollte wegweisend für ihre künstlerische Arbeit und zum programmatischen
Ausgangspunkt ihrer medienkünstlerischen Überlegungen werden: Aichhorn
entwickelt dabei ihr Konzept „Film als Schnur“ und greift die Tradition des
„Expanded Cinema“ (u.a. Valie Export, Peter Kubelka) neu auf. Abertausende
Bilder aus einer Vielzahl von Super8-Reisevideos aus der Zeit des aufkommenden
Massentourismus erzeugen nicht nur ein neues Bild, sondern zugleich eine
Massenbilderflut und Reizüberflutung, typische Kennzeichen unserer Zeit. Dieses
Bild-im-Bild-im-Bild-Konzept bezeichnet Aichhorn „die Reise eines Bildes von
einem Medium ins nächste Medium“.
In den Filmarchitekturmodellen (2007-2009) thematisiert
Aichhorn die signifikante Skyline der Downtown von L.A. als weltweit
rezipiertes, symbolhaft beladenes, bildhaftes Zeichen (Ikone) bzw.
Bedeutungsträger (Symbol) für den medial vermittelten Traum von L.A. als Stadt
des Kinos, der TV- und Musikproduktion. Die Oberflächentexturen der filmkulissenartigen
Hochhaussilhouetten bilden gewebte Bild-Teppiche aus Super-8-Filmkadern, die
wiederum private Bilder zeigen und zugleich die Fenster und das
Architektur-Raster der Hochhäuser widergeben. Die eingebaute indirekte
Beleuchtung der einzelnen Scyscraper-Modelle erzeugt eine Simulation der
nächtlichen Stadtsilhouette „Downtown L.A.“, die in der Folge als Kulisse dient
für Architekturmodell-Fotografien von der Silhouette sowie von architektonischen
Details des Modells aus verschiedenen Blickwinkeln bis hin zu hoch aufgelösten
Fotos von einzelnen Kadern, die das Geschehen auf den Filmstreifen widergeben.
Ein 16mm-Film von diesem ersten Filmarchitekturmodell wird zum Anlass, das
Modell mit den 16mm-Filmkadern erneut und größer zu bauen. Es folgt ein noch
größeres Modell aus 35mm-Filmstreifen vom 16mm-Modell. Die
Filmarchitekturmodelle entstehen in Kooperation mit der Firma Synchro Film
& Video, aus der auch das Filmportrait über Sabine Aichhorn von Willi Gaube
resultiert.
In der Ausstellung in der Ankerbrotfabrik in Wien im Loft
8 (Eröffnung 5. 6. 2013, www.loft8.at) zeigt Sabine Aichhorn neben ihrer programmatischen
Arbeit „Ein Super8-Filmteppich“ (aus 2004), der bereits in Linz, Basel, Berlin
und Graz ausgestellt wurde, vier großformatige Fotos (130 x 100cm) mit sehr
malerischem Charakter von ihrem 16mm-Filmarchitekturmodell „Downtown LA“ und
erstmalig auch ihren neuen intermedialen Ansatz, der eine Weiterentwicklung ihrer
intermedialen Bilderreisen darstellt: Bei den Polaroid-Arbeiten mit Palmen als
Motiv und „pars pro totum“ für die Kulisse von LA und Hollywood entstehen
Videos vom magischen Entwicklungsmoment, der bis zu 10min oder länger dauern
kann, zumal eine Vielzahl neuer Polaroid-Fotopapiere auf den Markt kommen und ausprobiert
werden wollen. „Das ist ein sehr spezieller experimenteller Bereich mit vielen
Unbekannten, denn beim Entwicklungsprozess an sich spielen eine Vielzahl
anderer Faktoren wie Zeit, Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc. eine
entscheidende Rolle“, so Aichhorn. Es entstehen Serien von z.T. völlig
unterschiedlichen Polaroid-Abzügen (sogen. „Video-Stills“) von ein- und
demselben Motiv, einem Gemälde oder einer Zeichnung (=Original), das als Kulisse
für das Video über den Entwicklungsprozess dient, der wie jeder Film Merkmale
des Filmischen aufweist, i.e. eine Zeitlichkeit und eine Bewegung in der
Fläche. „Auch die frühen Filmsets waren gemalte Kulissen“, begründet Aichhorn
ihren Ansatz.
Arbeitsweise “Als
Künstler stellt man sich immer die Frage, wie gehe ich mit der Vielzahl der
gleichzeitig zur Verfügung stehenden digitalen sowie analogen Techniken und
Medien um“, betont Aichhorn, die in ihrer künstlerischen Arbeit immer das Bild
im Bild im Bild sucht, in jeder ihrer intermedialen Reisen der Bilder analoge
wie digitale Techniken auf neue Art und Weise miteinander kombiniert und
ungewohnt ineinander verwebt wie einen Film- oder Bild-Teppich. Sie spürt den
subtilen Verfremdungseffekten der einzelnen Medien nach. Ihr Leitmotiv, wie Andreas
Spiegl formuliert, „ist weniger ein Motiv als die Verwandlung eines Motivs, das
Motiv der Übersetzung als Prozess einer Verschiebung. (…) Was von der
Vorstellung eines Originals in ihren Arbeiten bleibt, ist nur die originäre Form,
(…) das Original ins Originäre zu übersetzen.“
Malweise Die
intermedialen Erfahrungen, beginnend mit den Grundlagen des Textilen bis hin zu
den Bilderfahrungen der analogen fotografischen und filmischen Medien und
ebenso mit den neuen digitalen Medien prägen wiederum Aichhorns Malweise, die
immer eine prädominierend flächige ist, dem textilen Weben von Flächen, dem
Grafischen und der zweiten Dimension näher sind, als einer perspektivischen
räumlichen Darstellung. „Wenn ich dreidimensional arbeiten möchte, dann denke
ich an ein Raumobjekt, eine Skulptur oder eine Installation“, so Aichhorn.
Gerlinde Proier (2013)